Raimund Döllerer im Portrait

Heimat, das ist für Raimund ein strapazierter Begriff. Er tut sich schwer damit, weil er so vielschichtig ist. In erster Linie ist es aber ein Nach-Hause-Kommen – zu seiner Familie, nach Golling und nach Italien. Die Familie, das ist Erdung. Golling ist der Ort, an dem man lebt. Und Italien ist Raimunds Sehnsuchtsort. Geweckt wurde die Sehnsucht schon vor 33 Jahren, als er und Sabine, blutjung und noch ohne Kinder, zu einer dreimonatigen Sprachreise nach Florenz aufbrachen. Von Anfang an fühlte man sich daheim, ohne ein einziges Wort zu verstehen. „Vielleicht war es die Leichtigkeit, die Mode, der Wein, das Essen. Mit Sicherheit aber waren es die Menschen, das laute Treiben, die ausladenden Gesten, die unkomplizierte Lebensart. Sie waren uns sofort sympathisch. So sehr, dass wir geblieben und bis heute immer wieder gerne zurückgekehrt sind“, sagt Raimund. Später, als die Kinder auf der Welt waren, war es dann vor allem Jesolo. Mit allem, was dazugehörte, inklusive Stau an der Grenze. „Den nahmen wir gerne in Kauf, schließlich wussten wir ja, wofür“, sagt Raimund lachend. Geurlaubt wurde im kleinen Hotel, nicht weit vom Strand. „Ohne Jesolo gab es keinen richtigen Sommer, das ist bis heute so geblieben, auch wenn die Kinder mittlerweile erwachsen sind“, schwelgt Raimund in Erinnerungen. Auch das ist Heimkommen, nur eben auf Italienisch. Über die Jahre sind viele andere Orte hinzugekommen. Aber ganz egal ob Palermo, Peschici, Jesolo oder Alassio, jede Ecke ist anders und doch gibt es einen roten Faden, der sich durch ganz Italien zieht.
Es ist die Kunst zu leben. Eine Kunst, die sich Raimund auch gerne nach Golling holt. Über den Wein und natürlich auch über das Essen. Die Enoteca in Kuchl ist ein Fundus für italienische Delikatessen. Überall lockt dieses besondere Lebensgefühl. „Irgendwann machen Sabine und ich sowieso eine kleine Pension am Meer auf“, schmunzelt Raimund. Bis dahin müssen die Reisen die Sehnsucht stillen – und die Vespa, die Sabine ihrem Raimund vor einiger Zeit geschenkt hat. Himmelblau und mit ordentlich PS unter dem Hintern, weil eine Vespa in Golling eben auch berggängig sein muss. Sobald die Sonne den Frühling verkündet, gibt es für Raimund kein Halten mehr. Dann kurvt er durch die Gassen und über sich windende Bergstraßen, allein oder mit Sabine als seine Sozia. Mit ihr habe er sowieso unglaubliches Glück gehabt, schwärmt er. „Ohne sie wäre mein Leben mit Sicherheit anders verlaufen.“ Noch heute verbringt er seine Zeit am liebsten mit ihr und den gemeinsamen Kindern. Man kennt sich und man liebt sich. „Den anderen auch noch nach über 30 Jahren attraktiv, interessant und liebenswert zu finden ist alles andere als selbstverständlich. Gerade dann, wenn man so eng zusammenarbeitet wie wir. Wichtig ist, dass man bei allen Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede feiert und dass man der bleiben darf, der man eben ist“, sagt Raimund. Ob das italienisch ist? Vielleicht. In jedem Fall ist es offen und geradlinig. Eigenschaften, die auch Raimunds Kunden schätzen.
Wichtig ist, dass man bei allen Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede feiert und dass man der bleiben darf, der man eben ist.
wen man vor sich hat.
„Ich will mir keine Maske aufsetzen. Das liegt mir nicht. Wer mich um meine Meinung fragt, muss damit rechnen, dass er sie auch hört“, sagt er. Fingerspitzengefühl hat er dennoch. „Wenn ein Betrieb, den ich berate, 250 Positionen auf der Weinkarte hat, dann sind das eigentlich 100 zu viel. Wirte sind oft echte Weinliebhaber. Sie sammeln und können diese Leidenschaft nur schwer im Zaum halten. Da geht es darum, behutsam zu sein, Argumente zu liefern und Alternativen aufzuzeigen“, gibt Raimund Einblick in seine Arbeit. Der Job hat viele Facetten. „In Wahrheit analysieren wir den Betrieb, definieren eine Zielgruppe, bauen den Weinkeller auf und schulen die Mitarbeiter. Das geht nicht von heute auf morgen, aber es schafft Vertrauen und langfristige Beziehungen.“ Jahrelang war das Weinhandelshaus Döllerer in erster Linie ein kompetenter Ansprechpartner für Kunden aus der Gastronomie, bis man damit begann, das Kerngeschäft auszuweiten. Ein Prozess, der in den letzten Jahren noch stärker befeuert wurde. Auch Privatkunden wollen guten Wein trinken – zu Hause und mit der Sicherheit, in ihrer Auswahl nichts falsch zu machen.
„Wir freuen uns, wenn wir auch die Wünsche privater Weinliebhaber gut abdecken können“, sagt Raimund. „Wir haben ein gewachsenes Sortiment, in dem die Erfahrung vieler, vieler Jahre steckt. Da ist mit Sicherheit für jeden etwas dabei. Döllerer steht für Weingenuss ohne jedes Dogma, darauf sind wir stolz.“ Was in den 80er-Jahren mit fünf Winzern begonnen hat, ist heute zu einem Querschnitt durch die gesamte Weinwelt geworden. Dabei ist man den Winzern und Partnern gegenüber stets loyal. Nur in Ausnahmefällen trennt man sich voneinander. „Das ist in der Vergangenheit erst zwei Mal vorgekommen“, sagt Raimund. Das Sortiment folgt keinen schnellen Trends, kennen tut man sie aber natürlich trotzdem. „Ein Haus wie unseres darf sich nicht verschließen und muss für alles offen sein. Wir wollen vom Spitzenrestaurant bis zum Dorfgasthaus und für jeden privaten Weinliebhaber das Richtige im Sortiment haben.“ Eine Verantwortung, der man sich hier in jeder Sekunde bewusst ist.


Auch wenn Raimund dieses Geschäft schon ein Weilchen macht, er macht es immer noch gern. Das liegt für ihn auch daran, dass er offen geblieben ist und Inspiration zulässt. Die, so sagt er, käme von innen und natürlich auch von außen. „Im Kloster, beim Fasten zum Beispiel. Da kommen die Ideen irgendwann von selbst. Dann merke ich, dass die Kreativität nach wie vor da ist. Der Alltag verschließt manchmal die Türen zu diesem Fundus. Wenn die Nebengeräusche wegfallen, öffnen sie sich wieder“, sagt er. Darüber hinaus sind es vor allem Orte und kulinarische Konzepte, die Raimund inspirieren und die er an seinen Ort des Geschehens mitnimmt. Von Südtirol bis ins Elsass und vom Piemont bis nach Apulien. „Wenn es um Ideen geht, darf es ruhig auch ein bisschen verrückt werden. Das öffnet den Geist und die Seele.“ Raimund liebt dieses Leben und die Möglichkeiten, die es ihm gegeben hat. „Wenn’s passt“, erzählt uns Sabine, „ist Raimund ein echter Partytiger. Dann kann er ganze Runden allein unterhalten. Aber eben nur wenn er will, sonst wäre es ja aufg’setzt.“ Das schöne Leben, das ist für Raimund nämlich immer auch echt. Man muss seinem Herzen folgen, das tun, was einen ausfüllt und glücklich macht. Das wünscht er sich auch für seine Kinder. Sie sollen zunächst einmal frei sein und sich finden dürfen. Denn wer weiß schon so genau, was er oder sie wirklich will?
„Das Leben muss sich entwickeln können, damit es zu einem guten Leben wird“, sagt Raimund. Bevor sich Tochter Laura dazu entschlossen hat, den deutschen Markt für Döllerer mitaufzubauen, hat sie die HTL für Hochbau absolviert. Danach ging sie an die Universität nach Geisenheim. Die Begeisterung für Marketing und Vertrieb kam erst danach. Vor etwas mehr als einem Jahr hat sie Sabine und Raimund erstmals zu Großeltern gemacht. Eine neue Erfahrung, die alle voll und ganz genießen. Raimi, der Mittlere der drei Kinder, hat einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Schon mit 13 Jahren hat er seine Liebe für Holz entdeckt. Das Naturmaterial hat ihn in die Schule für Holztechnik nach Innsbruck geführt. Danach hat er noch ein Wirtschaftsstudium angehängt. Heute verbindet er beide Leidenschaften im Controlling eines holzverarbeitenden Betriebs. Und dann wäre da noch Florian, der Jüngste der drei Kinder. Ihn hat die Leidenschaft fürs Kochen in die weite Welt hinausgezogen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Frankreich sammelt er nun wertvolle Erfahrungen in New Yorks Spitzengastronomie. Für die Döllerers ist Familie alles und die freie Entfaltung der Schlüssel zum großen Glück. Wer darin italienische Zustände erkennt, dürfte recht behalten. Aber wen hätte das jetzt noch verwundert.
Am liebsten ist Raimund in den europäischen Weinregionen und Weinbergen unterwegs. Einerseits, um die Winzerpartner des Weinhaus-Sortiments zu besuchen, andererseits, um Neues zu entdecken und nach Österreich mitzubringen. Favoriten hat er dabei nicht. Egal ob in der Toskana, in Sizilien, in der Provence oder im Rioja, er schätzt die Vielfalt und die regionalen Eigenheiten, sowohl im Wein als auch in der Kulinarik. Wenn ihn dann auch noch seine liebste Reisegefährtin Sabine begleitet, ist für ihn jede Reise unvergesslich.
