Partnerportrait

Charme, Struktur, Tiefgang

Die Welt und der Wein sind in Bewegung. Wer diesem Umstand nicht Rechnung trägt, hat schlechte Karten. Willi Bründlmayer im Gespräch über dieZukunft des Weinmachens, seine Sehnsucht nach dem Meer und Edwiges Liebe zum Champagner.

Willi & Edwige Bründlmayer

Der Name Bründlmayer steht heute weltweit nicht nur für beständige Spitzenqualität, sondern auch für ein hochwertiges Weinsortiment von großer Bandbreite. Seit 1980 führen Willi und Edwige Bründlmayer das Familienweingut. Der respektvolle Umgang mit Natur und Mensch ist ihr erstes Gebot. Ein Team von bestens ausgebildeten Mitarbeitern gibtihnen den Rückhalt, aus ihren Weingärten in den besten Lagen des Kamptals das Beste herauszuholen.

HERMANN DÖLLERER: Ein Weingut wie eures ist der Inbegriff von Tradition und es ist die Summe seiner Menschen und ihrer Fähigkeiten. Unterschiede sind da nur von Vorteil. Worin seht ihr die Stärken der Vielfalt in Bezug auf eure Familie?

WILLI BRÜNDLMAYER: Zu diesem Thema ein Beispiel: Die Lieblingsweine meiner Mutter waren leichte Rotweine der Sorten St. Laurent und Blauer Burgunder (Pinot Noir). Deshalb pflanzte mein Vater wichtige und sehr gute Lagen mit diesen beiden Sorten. Meine Frau mag den Rotwein weniger, ihr Lieblingsgetränk ist feiner Sekt oder Champagner. Deshalb geht heute ein wichtiger Teil der Ernte dieser Sorten in den Brut Rosé oder den Blanc de Noirs. Die männlichen Bründlmayers haben genauso ihre Lieblingsweine und so entsteht im Laufe der Zeit eine große Vielfalt an Weinen, die alle geliebt und gepflegt werden.

 

H . D. : Vielfalt, das kann vieles bedeuten, was bedeutet Vielfalt für euch in puncto Wein?

W. B. : Beim Wort Vielfalt fallen mir zuerst unsere Weingärten ein. Unsere Großeltern waren stolz auf „saubere Weingärten ohne Unkraut“. Wir sind stolz darauf, dass in unseren heutigen Weingärten keine Monokultur vorherrscht, sondern alle durchwegs begrünt sind und unzählige Kräuter zwischen den Zeilen blühen. Noch unendlicher ist die Vielfalt der Insekten und der anderen Tiere, die die Weingartenwiesen und das unterirdische Bodenleben bevölkern, angeführt von den nützlichen Regenwürmern.

 

H. D. : Wenn wir über Vielfalt reden, dann ist das immer auch die Summe von Möglichkeiten. Welche Möglichkeiten seht ihr in der Zukunft? Wo wollt ihr eure Arbeit vertiefen, wo ausweiten und damit die Vielfalt noch vergrößern?

W. B. : Eine besondere Idee hatte meine Frau Edwige, die gemeinsam mit unserem Sohn Vincent der Meinung war, dass man ab und zu zu feinem Essen nicht nur den besten Wein, sondern auch ein passendes alkoholfreies Getränk braucht. Dieses Getränk soll geschmacklich fein, erfrischend und dabei auch gesund und natürlich ohne zugesetzten Zucker sein. So entstand „Grapester“ auf Basis unserer Bio-Trauben, des Bio-Verjus und vor allem mit unserer eigenen natürlichen Kohlensäure, die wir bei der Gärung unserer Weine einsammeln und für den Grapester verwenden. Diese natürliche Herkunftskohlensäure ist ganz besonders feinperlig und subtil aromatisch. Das Weinhaus Döllerer hat vom ersten Tag und vom ersten Prototyp weg die Verteilung des Grapester in der feinen Gastronomie übernommen. Grapester ist eigentlich ein Fantasievogel aus der Familiengeschichte von Edwige Bründlmayer: Er ist ein lustiger Feinschmecker, der sich die besten Trauben mixt und in seinem Nest dann das Beste daraus macht. Grapester ist international, deshalb wird die Basis aus den Kamptaler Weingärten mit feinsten internationalen Früchten wie beispielsweise Bio- Yuzu ergänzt. Dazu kommen kleine Mengen von grünem Kaffee und grünem Tee und nicht zuletzt fein vermahlenes Traubenkernmehl aus unserem Anbau. Auch wenn man vorübergehend auf guten Wein verzichtet, soll das Leben trotzdem Spaß und Freude bereiten!

 

H. D. : Langenlois hat Tradition im Weinmachen, der Ort ruht auf uralten Weinkellern, ein traditionsreiches Weingut reiht sich an das andere. Wohin seht ihr eure größte Stärke und was macht aus eurer Sicht den Unterschied?

W. B. : Wir lieben die Schönheit unserer Weingärten mit der herrlichen Terrassenlandschaft, die am Zusammenfluss des Donau- und des Kamptals – und wie die berühmte Lage Heiligenstein – sogar teilweise im Naturschutzgebiet liegen. Die Bewahrung unseres Naturraums ist die erste große Aufgabe! Darauf aufbauend dürfen wir aber vieles verwirklichen, was uns am Herzen liegt: Weißwein, Rotwein, Sekt, Traubenkernöl, Traubenkernmehl und Traubenkernbrot, Verjus, Traubensaft und zuletzt den neuen Grapester mit unserer eigenen Gärungskohlensäure!

 

H. D. : Die Welt ist in Bewegung und damit auch der Wein. Wer mit Veränderung nicht umgehen kann, hat schlechte Karten. Was war aus eurer Sicht die tiefgreifendste Veränderung der letzten Jahre und worin seht ihr die größte Chance für die Zukunft?

W. B. : Die tiefgreifendste Veränderung der letzten Jahre war die Veränderung des Klimas. So wurde Langenlois von einem sehr kühlen Weinbaugebiet mit vorwiegend extrem leichten und frischen Weinen zu einem moderat temperierten Weinbaugebiet. Niederschläge kommen seltener, aber wenn, dann in großer Menge, sodass es vordringlich wurde, alle Böden durch Bepflanzung mit vielfältigen Bodenkräutern und mit einer Mulchschicht zu schützen. Gleichzeitig musste alles getan werden, um die edlen Aromen der Weintrauben vor Sonnenbrand und vor Überhitzung zu schützen. Bisher ist der Plan aufgegangen, aber in der Frage liegt schon die Antwort vorbereitet: Die Welt ist in Bewegung und wir müssen uns laufend anpassen und dürfen nicht stehen bleiben.

„Ein immer neues Glück, wenn die Arbeit eines
ganzen Winzerjahres im Glas ‚kostbar‘ wird.“

Willi Bründlmayer

H. D. : Wenn wir über Vielfalt nachdenken, dann wohnt diesem Begriff immer auch die Gefahr inne, sich zu verzetteln. Fokus und Vielfalt sollten deshalb immer in einem guten Verhältnis zueinander stehen. Wo liegt euer Fokus?

W. B. : Unser Fokus liegt nach wie vor auf unseren geliebten Einzellagen, die teilweise schon Weltruhm erwerben konnten, wie beispielsweise Berg Vogelsang, Spiegel, Käferberg, Lamm oder Heiligenstein.

 

H. D. : Diversität ist ein Begriff, der uns immer öfter auch in den Weingärten unterkommt. Wie wichtig ist es, Diversität und damit auch die natürliche Konkurrenz der Pflanzen und Tiere zuzulassen? Und wie sieht der Weingarten eurer Träume aus?

W. B. : Unser berühmtester und wichtigster Weingarten erstreckt sich mit 11 ha Fläche mitten in ein Naturschutzgebiet, es ist der Kern, das Mittelstück des Zöbinger Heiligenstein. Die Reben dort sind mehr als 100 Jahre alt, Teile davon noch „wurzelecht“: Dort lebt gemeinsam mit unseren Weinreben eine riesige Anzahl verschiedenster Tiere und Pflanzen. Beispielsweise der wunderschöne Osterluzeifalter oder die andernorts vom Aussterben bedrohte weißblühende Strahlen-Breitsame. Ich träume auch manchmal, wenn ich am Käferberg auf einer Steinmauer sitze, von der Meeresbrandung, vom Meer, das es an dieser Stelle vor ca. 10 Millionen Jahren gab. Heute ist es fast unglaublich, dass dieser Berg, von dem man weit von der Wachau über das Kamptal bis nach Wien blicken kann, einst Meeresstrand war, wovon heute noch die Meeresablagerungen zeugen.

 

H. D. : Kunst spielt in eurem Leben eine große Rolle, sie ist allgegenwärtig und kein Widerspruch zur Natürlichkeit. Was bedeutet Kunst für euch und wie beeinflusst sie eure Kunst des Weinmachens?

W. B. : Zwischen Wein und Kunst besteht eine symbiotische Beziehung. Zahllose Kunstwerke verdanken ihre Entstehung der inspirierenden Wirkung eines feinen Weins. Wenn Künstler gerne zu den Ursprüngen ihrer Freuden kommen, dann treffen sie auf Winzer. Der Winzer selbst ist aber kein Künstler, sondern bestenfalls ein passionierter Gestalter innerhalb der unzähligen Faktoren der Natur, insbesondere Boden, Klima und Jahrgangswitterung. Das Verhältnis zwischen Künstlern und Winzern ist in aller Regel beidseitig anregend, fruchtbar und herzlich, zumindest in meiner Familie ist es so.

 

H. D. : Kommen wir noch einmal zurück zur Vielfalt. Die lebt im Idealfall auch in der Kunst. Um Vielfalt zuzulassen, braucht es Offenheit und die Fähigkeit, neue Wege zu gehen. Wo seid ihr ganz bewusst neue Wege gegangen?

W. B. : Als junger Winzer hatte ich mich geärgert, dass Jancis Robinson in ihrem berühmten Buch über die Rebsorten der Welt dem Grünen Veltliner fröhlich nette, aber nicht große Weine zugetraut hatte. Es war mir ein großes Anliegen, das Gegenteil zu beweisen, was in etlichen historischen Verkostungen möglich wurde. Ried Lamm oder Ried Käferberg und Ried Spiegel werden jetzt seit vielen Jahren unter den großen Weißweinen der Welt anerkannt. Die Klimaerwärmung der letzten Jahre führte dazu, dass auch früher extrem kühle Lagen wie Loiser Berg oder Berg Vogelsang im Konzert der großen Weine mitspielen können. Den ersten großen internationalen Erfolg als Winzer hatte ich übrigens mit unserem Chardonnay 1985, der damals ausschließlich in neuen 300-Liter-Fässern aus Manhartsberger Eiche ausgebaut wurde und der in der legendären Verkostung von Luigi Veronelli unter all den großen Chardonnays der Welt den ersten Platz erreichte. Zum Zeitpunkt der Verkostung war es extrem heiß und so konnte der Langenloiser Chardonnay mit seiner Frische und Finesse überzeugen.

 

H. D. : Um die Vielfältigkeit eurer Weingärten abzubilden, braucht es Hingabe und die Lust, kleinteilig zu arbeiten. Dennoch liegt über aller Kleinteiligkeit die innere Haltung des Weinguts. Woran erkennt man eure Weine am ehesten und ist eine „Haltung“ überhaupt trinkbar?

W. B. : Die Basis sind die Weingärten und die strenge Selektion bei der Weinlese. Nur vollkommen gesunde und wohlschmeckende Beeren sollen im Kistchen der Weinleser landen. Nichts, was nicht bereits als Weinbeere gut schmeckt, wollen wir unseren Kunden zumuten!

 

H. D. : Bründlmayer, das ist vor allen Dingen auch Sekt. Ein Thema, das in Österreich zwar Tradition, aber gleichzeitig auch noch großes Potenzial hat. Sekt ist nicht gleich Sekt. Wie viel Vielfalt verträgt das Thema und wie kann man die Österreicher noch mehr für Sekt begeistern?

W. B . : Sekt ist bei Bründlmayer ein relativ junges, aber erfolgreiches Produkt. Es ist aus Liebe entstanden: Als Edwige aus Paris nach Langenlois übersiedelte und ihr Lieblingsgetränk feiner Champagner war, begann die Suche nach den bestgeeigneten Trauben unserer Weingärten. Der Sekt aus Langenlois sollte sich nirgendwo in der Liga der weltweit besten Schaumweine und Champagner verstecken müssen, und so begann ein Abenteuer, das sich bis heute fortsetzt! Wir sind immer bei der Variante geblieben, nur das Höchstwertigste zu verwenden: die besten Trauben und die qualitativ beste Technik – klassische Flaschengärung, handgerüttelt und sonst nichts. Unsere selbst auferlegten Kriterien sind also strenger als die von Champagner.

 

H. D. : In Frankreich ist Champagner beinahe ein Alltagsgetränk, in Österreich ist Sprudel immer noch den besonderen Momenten vorbehalten. Sollte man das ändern, und wenn ja, wie?

W. B . : Ich finde, es ist eine gute Lebenseinstellung, jeden Moment als Geschenk zu empfinden, zu würdigen und zu feiern. Leider geht diese lebensfreundliche Einstellung auch im Heimatlande meiner Frau, also in Frankreich, langsam verloren. Hoffentlich vergisst die nächste Generation nicht darauf, ab und zu vom Handy aufzuschauen, die Freuden des Lebens zu genießen und einen Blick auf die unglaubliche Schönheit der Natur zu werfen und ihre großartigen Gaben zu genießen.